Samstag, 12. Juli 2014

Integrität für Betriebsräte I

Kürzlich habe ich an einem Betriebsräte-Seminar von k&k (www.kk-bildung.de) teilgenommen, welches in vielerlei Hinsicht für mich sehr ergiebig war. Unter anderem bin ich wieder einmal auf das Thema „Integrität“ gestoßen. Die Übereinstimmung zwischen unseren Werten und unserem Handeln bezeichne ich hier als persönliche Integrität.

Der Referent dieses Seminars war zum Beispiel – für mich zunächst völlig unverständlich – der Meinung, dass ein Betriebsrat in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber (etwa im Rahmen einer Betriebsvereinbarung) nur das fordern sollte, was er auch wirklich erreichen will. Unsere allgemein übliche Praxis war bis dato, immer etwas mehr zu fordern, um gewissermaßen eine Verhandlungsmasse zu haben, da der Arbeitgeber uns ja sowieso runterzuhandeln versucht. Also ein bisschen wie auf einem Bazar. Deshalb gab es in unseren Entwürfen von Betriebsvereinbarungen auch immer Forderungen, die teils überzogen erschienen, teils so auch nicht ernsthaft durchgesetzt werden sollten. Ähnliches geschieht auch bei Tarifverhandlungen, wenn die Gewerkschaft zunächst sehr plakativ Lohnerhöhungen von 5 % fordert und jeder weiß, dass mehr als 2,8 % ohnehin nicht durchsetzbar sind.

Die Befürchtung mancher Seminarteilnehmer war nun, dass wir dann, wenn wir nur das wirklich Gewollte fordern, ja vom Arbeitgeber von einer vergleichsweise niedrigen Ausgangsforderung noch weiter heruntergehandelt werden als bisher. Der Referent wies dann jedoch nach, dass das Gegenteil der Fall sein würde.

Jetzt kommt das ins Spiel, was ich oben als Integrität bezeichnet habe, sozusagen der psychologische  Aspekt. Eine Anfangsforderung oberhalb des Gewollten zeigt dem Verhandlungspartner (Arbeitgeber), dass er unsere Forderungen (und uns als Betriebsräte) zunächst einmal nicht allzu ernst nehmen muss. Wir machen uns zu Bazar-Händlern, die sich von geschickten Kunden bis an die Schmerzgrenze handeln lassen, da jeder Abschluss besser ist als gar keiner. Das Verhandlungsergebnis ist dann oftmals eines, von dem man sagt: „Mehr war eben nicht drin!“, aber es ist nicht das, was wir wirklich für richtig und angemessen erachten. Umgekehrt wären ernsthafte Forderungen an den Arbeitgeber für den Betriebsrat selber mit größerer innerer Klarheit verbunden, von der er nur noch sehr wenig abzurücken bereit wäre, und für den Arbeitgeber ein Signal, dass er es mit einem ernstzunehmenden Verhandlungspartner zu tun hat, mit dem zu spielen sich nicht lohnt.

Aber (auf diesen Einwand warte ich jetzt) birgt eine solch klare und damit auch harte Position gegenüber dem Arbeitgeber nicht auch die Gefahr, dass es zu gar keinem Verhandlungsergebnis kommt. Es mag tatsächlich sein, dass es letztlich auch schneller zum Scheitern der Verhandlungen und deshalb zur Errichtung einer Einigungsstelle kommt. Wäre das schlimm? Kaum! Was entscheidet dann aber am Ende der Eingungsstellenleiter anderes als sonst? Ich denke, auch in der Einigungsstelle  wird eine klare Position mehr Berücksichtigung finden als eine labile. Deshalb war bisher bei manchen Entscheidungen des Einigungsstellen-Leiters am Ende auch der Arbeitgeber (mit seinen klareren Positionen) zufriedener mit dem Ergebnis als die Betriebsräte.

Manchmal allerdings scheint mit gar keine Einigung besser zu sein als eine auf sehr niedrigem Niveau. Tarifverhandlungen zwischen der Gewerkschaft ver.di und dem Bayerischen Arbeitgeberverband der Arbeiterwohlfahrt bringen seit Jahren Abschlüsse hervor, die (zumindest bezogen auf die Nettovergütung) unterhalb oder allenfalls in Höhe der Inflationsrate rangieren. Im Bereich der „Schmerzgrenze“ also. Ich denke, dass ver.di hier taktiert, indem sie meint, ein niedriger Abschluss sei besser als gar keiner und sorge dafür, dass die Mitglieder wenigstens soweit zufrieden sind, dass sie nicht gleich austreten. Wie wäre es aber mal mit einer klaren Forderung: „Wir wollen Lohnerhöhungen mindestens wie im TVöD oder beim BRK. Alles darunter ist mit uns nicht zu machen!“ Das kriegt mit den wenigen Gewerkschaftsmitglieder im Hintergrund natürlich niemand durch. Damit wäre dann aber auch klar: Wenn ihr euch nicht gewerkschaftlich organisieren wollt, wartet bitte nicht auf Lohnerhöhungen! Denn die gibt’s nur mit Druck und nicht mit klugen Verhandlungen. Die bange Frage für ver.di ist: Tritt jetzt auch noch der Rest der Mitglieder aus oder kapieren es genügend Leute und treten ein.

Ich jedenfalls bin inzwischen für klare Positionen, die mich innerlich stärken und nach außen gegenüber meinen Verhandlungspartnern. Nur so kann ich meine Integrität – die Übereinstimmung zwischen meinen Werten und meinem Handeln – bewahren.

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