Kürzlich habe ich an einem Betriebsräte-Seminar von
k&k (www.kk-bildung.de) teilgenommen, welches in vielerlei
Hinsicht für mich sehr ergiebig war. Unter anderem bin ich wieder einmal auf
das Thema „Integrität“ gestoßen. Die
Übereinstimmung zwischen unseren Werten und unserem Handeln bezeichne ich hier
als persönliche Integrität.
Der Referent dieses
Seminars war zum Beispiel – für mich zunächst völlig unverständlich – der
Meinung, dass ein Betriebsrat in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber (etwa im
Rahmen einer Betriebsvereinbarung) nur das fordern sollte, was er auch wirklich
erreichen will. Unsere allgemein übliche Praxis war bis dato, immer etwas mehr
zu fordern, um gewissermaßen eine Verhandlungsmasse zu haben, da der
Arbeitgeber uns ja sowieso runterzuhandeln versucht. Also ein bisschen wie auf
einem Bazar. Deshalb gab es in unseren Entwürfen von Betriebsvereinbarungen
auch immer Forderungen, die teils überzogen erschienen, teils so auch nicht
ernsthaft durchgesetzt werden sollten. Ähnliches geschieht auch bei Tarifverhandlungen,
wenn die Gewerkschaft zunächst sehr plakativ Lohnerhöhungen von 5 % fordert und
jeder weiß, dass mehr als 2,8 % ohnehin nicht durchsetzbar sind.
Die Befürchtung mancher Seminarteilnehmer
war nun, dass wir dann, wenn wir nur das wirklich Gewollte fordern, ja vom
Arbeitgeber von einer vergleichsweise niedrigen Ausgangsforderung noch weiter
heruntergehandelt werden als bisher. Der Referent wies dann jedoch nach, dass
das Gegenteil der Fall sein würde.
Jetzt kommt das ins Spiel,
was ich oben als Integrität bezeichnet habe, sozusagen der psychologische Aspekt. Eine Anfangsforderung oberhalb des
Gewollten zeigt dem Verhandlungspartner (Arbeitgeber), dass er unsere
Forderungen (und uns als Betriebsräte) zunächst einmal nicht allzu ernst nehmen
muss. Wir machen uns zu Bazar-Händlern, die sich von geschickten Kunden bis an
die Schmerzgrenze handeln lassen, da jeder Abschluss besser ist als gar keiner.
Das Verhandlungsergebnis ist dann oftmals eines, von dem man sagt: „Mehr war
eben nicht drin!“, aber es ist nicht das, was wir wirklich für richtig und
angemessen erachten. Umgekehrt wären ernsthafte Forderungen an den Arbeitgeber
für den Betriebsrat selber mit größerer innerer Klarheit verbunden, von der er
nur noch sehr wenig abzurücken bereit wäre, und für den Arbeitgeber ein Signal,
dass er es mit einem ernstzunehmenden Verhandlungspartner zu tun hat, mit dem
zu spielen sich nicht lohnt.
Aber (auf diesen Einwand
warte ich jetzt) birgt eine solch klare und damit auch harte Position gegenüber
dem Arbeitgeber nicht auch die Gefahr, dass es zu gar keinem Verhandlungsergebnis
kommt. Es mag tatsächlich sein, dass es letztlich auch schneller zum Scheitern
der Verhandlungen und deshalb zur Errichtung einer Einigungsstelle kommt. Wäre
das schlimm? Kaum! Was entscheidet dann aber am Ende der Eingungsstellenleiter
anderes als sonst? Ich denke, auch in der Einigungsstelle wird eine klare Position mehr Berücksichtigung
finden als eine labile. Deshalb war bisher bei manchen Entscheidungen des
Einigungsstellen-Leiters am Ende auch der Arbeitgeber (mit seinen klareren
Positionen) zufriedener mit dem Ergebnis als die Betriebsräte.
Manchmal allerdings
scheint mit gar keine Einigung besser zu sein als eine auf sehr niedrigem
Niveau. Tarifverhandlungen zwischen der Gewerkschaft ver.di und dem Bayerischen
Arbeitgeberverband der Arbeiterwohlfahrt bringen seit Jahren Abschlüsse hervor,
die (zumindest bezogen auf die Nettovergütung) unterhalb oder allenfalls in
Höhe der Inflationsrate rangieren. Im Bereich der „Schmerzgrenze“ also. Ich
denke, dass ver.di hier taktiert, indem sie meint, ein niedriger Abschluss sei
besser als gar keiner und sorge dafür, dass die Mitglieder wenigstens soweit
zufrieden sind, dass sie nicht gleich austreten. Wie wäre es aber mal mit einer
klaren Forderung: „Wir wollen Lohnerhöhungen mindestens wie im TVöD oder beim
BRK. Alles darunter ist mit uns nicht zu machen!“ Das kriegt mit den wenigen
Gewerkschaftsmitglieder im Hintergrund natürlich niemand durch. Damit wäre dann
aber auch klar: Wenn ihr euch nicht gewerkschaftlich organisieren wollt, wartet
bitte nicht auf Lohnerhöhungen! Denn die gibt’s nur mit Druck und nicht mit
klugen Verhandlungen. Die bange Frage für ver.di ist: Tritt jetzt auch noch der
Rest der Mitglieder aus oder kapieren es genügend Leute und treten ein.
Ich jedenfalls bin
inzwischen für klare Positionen, die mich innerlich stärken und nach außen
gegenüber meinen Verhandlungspartnern. Nur so kann ich meine Integrität – die
Übereinstimmung zwischen meinen Werten und meinem Handeln – bewahren.
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