Montag, 11. August 2014

Deutsche Rentenversicherung beschränkt gesetzeswidrig die Berufsausübung von Suchttherapeuten/-beratern

Neulich erfuhr ich ein weiteres Beispiel, wie die Deutsche Rentenversicherung sich anmaßt, Suchtbehandlung und -beratung in Deutschland zu reglementieren:
 Ein seit über 20 Jahren in der Suchtbehandlung erfahrener Kollege, der für kurze Zeit in einem anderen Arbeitsbereich beruflich tätig war, hatte sich an einer psychosozialen Beratungsstelle wieder als Suchtberater beworben und war von der Beratungsstelle auch als geeigneter Kandidat ausgewählt worden. Eine vorherige Nachfrage bei der Rentenversicherung ergab jedoch, dass der Bewerber keine Zulassung seitens der Rentenversicherung als Suchttherapeut erhält. Bei einer Einstellung dieses Kollegen durch die Suchtberatungsstelle wären finanzielle Leistungen der Rentenversicherung zum Beispiel für Nachsorgemaßnahmen entfallen.

Wie ist es aber zu verstehen, dass ein Sozialpädagoge mit psychotherapeutischer Zusatzausbildung und jahrzehntelanger Erfahrung in der Behandlung von Suchtkranken für diese Aufgabe nicht mehr geeignet sein soll? Den Hintergrund bildet eine Suchtvereinbarung der Leistungsträger für Suchtbehandlungen aus dem Jahre 2002. Darin wird minutiös geregelt, welche Berufsgruppen mit welcher Ausbildung, welche Aufgaben im Bereich der Suchtbehandlung ausüben dürfen. Diese Vereinbarung wurde über etliche Jahre noch mehr als Empfehlung gehandhabt, seit einiger Zeit aber – wie man nicht zuletzt an diesem Beispiel sieht – restriktiv umgesetzt.

Der Knackpunkt ist, dass sich die Deutsche Rentenversicherung hier quasi gesetzgeberische Vollmachten anmaßt. Gerade bezüglich der Berufsausübung gibt es nämlich gemäß §12 Abs.1 Grundgesetz einen sogenannten Gesetzesvorbehalt des Gesetzgebers (also des Bundestages). Das bedeutet, dass eine generelle Festlegung, wer in Deutschland Suchtbehandlung machen darf, nur vom Gesetzgeber geregelt werden kann. Da dies im Bereich der Suchttherapeuten noch nicht geschehen ist, versuchen die Kostenträger mit der Suchtvereinbarung von 2002 diese Lücke zu füllen, allerdings mit prekären Folgen und unter Anmaßung einer Autorität die ihnen nicht zusteht.

Ich selber bin ein weiteres Beispiel dieses Problems: Als Diplompädagoge mit psychotherapeutischer Zusatzausbildung in Gestalttherapie erfülle ich gleich in doppelter Hinsicht nicht die Kriterien der Suchtvereinbarung. Erstens werden Diplompädagogen durch diese Vereinbarung von der Arbeit als Suchttherapeuten generell ausgeschlossen. Inzwischen ist sogar eine Aufforderung an die Ausbildungsinstitute für Suchttherapie ergangen, Diplompädagogen dafür nicht mehr zuzulassen. Zweitens ist die Gestalttherapie zwar inzwischen eine DRV-anerkannte Zusatzausbildung, allerdings nur in ihrer suchtspezifischen Variante und nicht als Psychotherapie, in der ich ausgebildet bin. Nun bin ich aber ebenfalls bereits seit annähernd 20 Jahren in der Behandlung von Suchtkranken inzwischen in der dritten Fachklinik tätig. Ich darf diese Arbeit auch mit dem Segen der Rentenversicherung ausüben, aber meinen Arbeitgeber nicht wechseln. Würde ich mich für eine Arbeitsstelle in einer anderen Suchtklinik bewerben, würde ich plötzlich strikt an den Kriterien des Vereinbarung 2002 gemessen mit Sicherheit abgelehnt.

Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass mein Kollege, dessen Fall ich eingangs geschildert habe, nun den Mut hat, in einer Art Musterprozess gegen die Deutsche Rentenversicherung den Fall für sich und damit für viele andere Betroffene zu entscheiden. Das wäre allem Anschein nach sogar auch im Interesse von Fachverbänden, in denen die Suchtkliniken sich organisieren. Doch die trauen sich bislang nicht, gegen ihre Kostenträger (überwiegend die Rentenversicherungen) vorzugehen, offenbar aus Angst, dass die angeschlossenen Kliniken dann womöglich nicht mehr belegt werden.

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