Ich muss unsere letzte
Sitzung des Gesamtbetriebsrats erst noch verdauen. Angefangen von der Anzahl der
Teilnehmer bis zu verschiedenen Äußerungen einzelner Mitglieder. Eigentlich
waren sogar relativ viele GBR-Mitglieder vertreten. Dennoch war nicht gleich
ersichtlich, ob die Versammlung diesmal beschlussfähig ist, denn ausgerechnet
zwei GBR-Mitglieder mit hohem Stimmenanteil (bemisst sich nach der Anzahl der
Wahlberechtigten im jeweiligen Betrieb bei der letzten Betriebsratswahl) waren
unentschuldigt abwesend. Dabei kam auch zur Sprache, dass ein GBR-Mitglied
(leider auch noch dasjenige mit dem höchsten Stimmenanteil) sich generell
weigert, an dem für einzelne Sitzungen festgelegten sehr weit entfernten
Sitzungsort anzureisen. Es ergab sich dennoch ein Stimmenanteil der Anwesenden
von etwas über 50 %, was zur Beschlussfähigkeit ausreichte. Glück gehabt! Sonst
hätten wir z.B. eine dringend erforderliche Änderung unserer Geschäftsordnung
nicht beschließen können.
Unter Punkt Verschiedenes gab es dann am Ende der
Sitzung noch Raum für Aussprachen. Eine Betriebsrätin aus einem Altenpflegeheim
beklagte, dass sie ihren Urlaub habe unterbrechen müssen, um an der Sitzung
teilzunehmen. Das Ersatzmitglied, das sie hätte vertreten müssen, habe sich
wegen Arbeitsüberlastung geweigert, seinen Arbeitsplatz in der Altenpflege wegen
der GBR-Sitzung zu verlassen. Eine
Kindererzieherin konnte das verstehen. Ihre Stellvertreterin im GBR müsse sie
gleichzeitig auch im Kinderhort vertreten. Es sei dann im Urlaub oder
Krankheitsfall nahezu ausgeschlossen, die eh schon überlasteten Kolleginnen im
Hort alleinzulassen, um Betriebsratsarbeit zu machen. Die stellvertretende
Vorsitzende des GBR war eigentlich im Krankenstand, nahm jedoch wegen der oft
bedenklich niedrigen Teilnehmerpräsenz dennoch an der Sitzung teil (was nach
Absprache mit dem Arzt rechtlich ok ist).
Mir wurde wieder einmal
deutlich, wie unterschiedlich ernst Betriebsräte ihre Aufgaben nehmen, zu denen die GBR-Teilnahme als eine
rechtliche Verpflichtung unbedingt dazugehört. Eine Zuspitzung erfuhr dieser
Eindruck noch durch die Äußerung der oben erwähnten Kollegin aus der
Altenpflege, dass es auch in ihrem örtlichen Betriebsrat (also im Pflegeheim)
immer wieder schwierig sei, alle Betriebsräte zu den erforderlichen Sitzungen
zusammenzubekommen, da manch einer sich zwar als Betriebsrat wählen lasse, sich
dann jedoch als solcher kaum engagiere. Dabei sind diese wenig Engagierten noch
das geringere Problem. Denn das lässt sich meist lösen, indem man sie nicht
wiederwählt. Schwieriger wird es mit dem
Hinderungsgrund: „Ich kann nicht kommen, hab zu viel Arbeit bzw. andere würden
dann zu sehr belastet!“ Zum einen ist das rechtlich kein Hinderungsgrund,
an der GBR-Sitzung teilzunehmen, da diese laut Gesetz in der Regel vorrangig
ist. Abwesenheit wegen Arbeitsüberlastung gilt dann als unentschuldigtes
Fehlen, das Ersatzmitglied darf deshalb nicht nachrücken und die
Beschlussfähigkeit des GBR wird beeinträchtigt.
Wie aber kann sein, was
nicht sein darf? Betriebsräte müssen doch für ihre Aufgaben freigestellt und
von ihrer „normalen“ Arbeit entsprechend entlastet werden! In Industriebetrieben z.B. mag das
ja auch funktionieren. Für den Arbeitsausfall durch Betriebsräte werden Stellen
aufgestockt und notfalls die Preise erhöht. Bei Verwaltungsangestellten bleiben
vielleicht Akten liegen, die verzögert bearbeitet werden. Aber in allen Berufen, die mit Menschen arbeiten, gibt es ein Problem.
Menschen in der Altenpflege müssen versorgt, Kinder im Hort betreut werden etc.
Da gerade im sozialen Bereich die Stellenpläne
Betriebsräte generell nicht vorsehen und die Kostenträger sich auch weigern,
Einrichtungen mit Betriebsräten entsprechend zu finanzieren, wird die von
Betriebsräten nicht erledigte Arbeit automatisch auf andere Mitarbeiter
verlagert. Genauso automatisch werden engagierte Betriebsräte in solchen
Einrichtungen sozialem Druck ausgesetzt. Nicht nur vonseiten des Arbeitgebers,
sondern auch von Kollegen. Das Ergebnis ist regelmäßig entweder eine Überlastung
der Betriebsräte oder ein vermindertes Engagement.
Was ist nun zu tun? Ein (nicht ernst gemeinter) Vorschlag
wäre, die Absätze 2,3, 6 und 7 des §37 Betriebsverfassungsgesetz (hier geht es
um die Arbeitsbefreiung von Betriebsräten) komplett zu streichen, um so die
Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit wenigstens zu verringern. Nein, im
Ernst: Hier tut sich eine Gesetzeslücke
auf.
Auch für Freistellungen
nach §37 BetrVG muss ein zeitlicher Rahmen (z.B. in Prozent einer vollen Stelle)
definiert werden, in welchem Betriebsräte von ihren arbeitsvertraglichen
Aufgaben zu entlasten sind. Entsprechend muss es auch eine gesetzliche oder
meinetwegen auch tarifvertragliche Verpflichtung geben, Stellenpläne in
sozialen Einrichtungen entsprechend anzupassen. Gleichzeitig wird es nötig, die Kostenträger sozialer
Einrichtungen zu verpflichten, Betriebsratstätigkeit als erforderliche Arbeit bei
der Berechnung von Pflegesätzen und dergleichen zu berücksichtigen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen